Das Dorf

Fotos: Felix Grünschloss und Jonas Keßler

Das Dorf

Dörfliche Strukturen sehen sich zahlreichen Transformationsprozessen ausgesetzt – sofern sie nicht zu abgehängten Regionen werden wollen. Aussterbende Dorfkerne, verschwindende Infrastrukturen, Bevölkerungsschwund, Überalterung und Rechtsruck erfordern neue Handlungskonzepte. Modellregionen werden ausgerufen. Raumpionier*innen werden aktiv. Was kann die Institution Theater von diesem Strukturwandel lernen, um nicht selbst irgendwann als abgehängte Einrichtung im öffentlichen Leben zu stehen?

‚Das Dorf‘ wagt den Modellversuch. Und reist im Jahr des dreihundertjährigen Bestehens des Badischen Staatstheaters Karlsruhe in eine Zukunft, in der das Theater zunächst als Modelldorf neu eröffnet, dann aber auch wieder verlassen wurde und begann seinen Besucher*innen von der Notwendigkeit, dem Optimismus und Scheitern dieses Neuanfangs zu erzählen.

Zur Vorbereitung von ‚Das Dorf‘ luden das Künstlerduo Herbordt/Mohren Anfang März 2019 Publikum wie Mitarbeiter*innen des Staatstheaters zu einem inszenierten Dorffest, das gleichzeitig öffentliche
Recherche und Filmdreh war. Bei Musik, Essen und Kinderprogramm diskutierten Gäste und Mitarbeiter*innen über die Zukunft des Theaters und darüber, was diese mit einem Dorf zu tun haben könnte. Eine im Bühnen-Raum integrierte Tagung befragte vor diesem Hintergrund u.a. drei Modelldörfer: das Dorf der freien Frauen – Jinwar in Nordsyrien; die Kinderrepublik Gaudiopolis in Budapest und Christoph Schlingensiefs Operndorf Afrika in Burkina Faso. Nach Interviews mit den Gästen und zahlreichen Gesprächen der eigens für das Fest initiierten Nachbarschaftsakademie wurde das Theater als Dorf feierlich gegründet.

‚Das Dorf‘ spielt viele Jahre nach diesem Modellversuch. Die Bühne ist das verlassene Festgelände vom Dorffest – gleichzeitig Denkmal und Grabungsstätte. Dem Publikum wird berichtet, was aus den Plänen jener neuen Theaterinstitution, basierend auf Zielsetzungen, Manifesten, Raum- Organisations- und Alltagsstrukturen von Modelldörfern des 19., 20. und 21. Jahrhunderts, geworden ist. Eine Musikerin probiert Variationen über die elektronisch bearbeiteten Tondokumente vom Dorffest. Schon bei diesem beteiligte Ensemblemitglieder und Gäste blicken auf ihre längst verwaiste Modellinstitution zurück und führen Zuschauer*innen auf den Spuren dieses Versuchs durch das Dorf, das einst ein Theater war… Die Zuschauer*innen werden zu Zeug*innen, wie alles, was es gibt, zum Indiz von etwas wird, das es noch nicht (oder nicht mehr) gibt. Wie sich ein Dorf immer wieder neu erfindet; wie Dörfer dem
Wandel ihrer Strukturen begegnen und damit künftige Strategien unserer Theater vorwegnehmen könnten.

Videodokumentation

Presse
“Experiment am Badischen Staatstheater: Die Bühne als neugegründetes Dorf.” 03.05.2019 SWR2 Kultur

Credits

Mit Klaus Cofalka-Adami, Lucie Emons (Stimme), Susanne Lisovsk, Luise Schmidt (Kontrabass), Alexandra Walker, Armin Wieser
Künstlerische Leitung Melanie Mohren, Bernhard Herbordt
Ausstattung Leonie Mohr, Hannes Hartmann
Komposition Gordon Kampe
Video & Programmierung René Liebert
Produktionsleitung ehrliche arbeit – freies Kulturbüro
Technisches Produktionsmanagement & Lichtdesign Alexander Joseph
Dramaturgie Sarah Stührenberg
Recherche Silinee Damsa-Ard
Regieassistenz Jonas Keßler, Simon Salomon

Beteiligte der öffentlichen Recherche Dorffest‘: Mohamed Amjahid, Marcus Bergmann, Aino Laberenz,
Mona Mahall, Kristina Pantisano, Antje Schiffers, Benjamin Wihstutz sowie Heisam Abbas, Lula Asmaw, Vera Barner, Virginie Bousquet, Michel Brandt, Siba Feiz Marzoughi, Stefanie Frauwallner, Önder Timur Göncü, Stefanie Heiner, Boris Kehrmann, Benedict Kömpf, Susanne Lisovski, Michael Matt, Claudius Mink, Ulrike Mink, Anna Müller, Gunnar Schmidt, Patric Seibert und zahlreiche weitere Gäste, Dorfgründungsmütter, –väter und –kinder.

‚Das Dorf‘ ist Teil einer zweijährigen Kooperation von Herbordt/Mohren und dem Badischen Staatstheater Karlsruhe, gefördert im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes und im Innovationsfonds Kunst des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

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